Wie kam der Rollstuhlfahrer auf den Berg?
Immer wieder werde ich gefragt: Wie ist dieses schöne Bild mit Dir auf dem Berg entstanden? Viele vermuten, ich sei mit einem Hubschrauber auf den Berg gekommen oder mutmaßen es handle sich um eine Fotomontage. Doch das Bild ist echt und hier ist seine Geschichte:
2012 wurde mir klar, dass ich für meine Projekte ein aussagekräftiges Werbebild benötige. Mit meinem Fotografen Daniel Fort überlegte ich über Fotomöglichkeiten für eben dieses. Da ich bereits zwei Mal auf der Aussichts-Plattform der Zugspitze war, lag diese Idee Nahe. Wir fanden beide, dass dies ein idealer Spot für ein ausdrucksstarkes Foto wäre, doch hatte ich bisher noch keinen Weg gefunden mit dem Rollstuhl bis zum goldenen Gipfelkreuz zu kommen. Wir recherchierten und kamen zu dem Schluss, dass wir dennoch genau dorthin wollten.
Der Plan war, mit der Seilbahn zum Münchener Haus hochzufahren und von dort aus, mit Hilfe von Bergführern, die mich hochgezogen und getragen hätten, die letzten Meter bis zum goldenen Gipfelkreuz zu erklimmen. Die ganze Aktion hätte einen schönen Film und am Ende sicherlich auch ein fantastisches Foto ergeben. Doch wie das nun Mal so ist mit Plänen, kam am Ende alles anders.
Nach intensiver Planung und Recherche war es im September 2013 endlich so weit. Mit zwei Assistenten machte ich mich auf den Weg nach Österreich, mit Zwischenstopp in Straßburg im Elsass. Dort nahmen wir noch am Freedom Drive teil. Dies ist eine Versammlung, bei der Menschen mit Behinderungen aus allen europäischen Ländern die Möglichkeit bekommen Abgeordnete der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Menschen mit Behinderung des Europäischen Parlaments zu treffen. Dabei geht es um alles rund um Menschen mit Behinderung und ihre Inklusion.
Daraufhin ging es weiter nach Österreich. Unser nächstes Ziel war das Hotel MyTirol in Biberwier bei Ehrwald. Dort trafen wir Daniel und seinen Vater, beides erfahrene Bergsteiger aus München, die ebenfalls mit anpacken sollten. Jetzt waren wir zu fünft.
Am nächsten Tag haben wir zwei vorher kontaktierte Bergführer für die Zugspitzenregion getroffen und näher kennengelernt. Bei dem Treffen ging es nun natürlich auch um die Details der Planung und Durchführung der Aktion. Wir sprachen über meine Behinderung und probierten aus, wie man mich am besten „Huckepack“ tragen könnte.
Leider hatten wir bereits bei unserer Anreise nicht besonders angenehmes Wetter und dies sollte sich in den nächsten Tagen auch nicht ändern. Die Zugspitze war schon seit Tagen in Nebel gehüllt. Obendrein lag eine Menge Neuschnee auf dem Berg. Für Mitte September ist das eher ungewöhnlich. Wir hatten, für den Fall einer Schlechtwetterlage, bereits im Vorfeld geplant eine Woche vor Ort zu sein, um gutes Wetter abzuwarten. Von Tag zu Tag wurde neu entschieden, ob wir es wagen sollten, oder nicht. Leider wurden die Wetterprognosen schlechter statt besser. Am vierten Tag haben wir uns dazu entschlossen, die Aktion an der Zugspitze abzubrechen und unseren Plan B umzusetzen.
Am fünften Tag sind wir früh morgens aufgebrochen und von Biberwier in Richtung Südtirol in Italien gefahren. Unser Ziel war der Straßenpass Pordoijoch, von wo aus man auf den Sass Pordoi gelangen kann. Dieser ist ein plateauförmiger Felsgipfel der Dolomiten auf 2950m Höhe, eine natürliche Aussichtsplattform. Für uns war es insgesamt eine 240km lange Fahrt durch eine wunderschöne Landschaft mit Serpentinstraßen und atemberaubender Sicht auf die Bergwelt.
Am Pordoijoch angekommen, mussten wir die letzten Meter noch mit einer Seilbahn zurücklegen. In der großen Gondel der Seilbahn fand meinem Rollstuhl problemlos Platz. Bereits die Fahrt war mit ihrer spektakulären Aussicht sehr beeindruckend.
Oben angekommen haben meine vier Assistenten zusammen angefasst, je an einer Ecke des Rollstuhls, und mich über das Plateau gerollt, bzw. über Stock und Stein getragen, bis wir ein bisschen abseits der Touristen standen. Auf dem Plateau bot sich uns dann eine beeindruckende Kulisse. Das Wetter war immer noch recht unbeständig. Sonnenschein, Regen, Schneefall und Wind wechselten sich ab, sodass innerhalb von zwei Stunden jede Wetterlage dabei war. Zwar waren wir gut vorbereitet und ausgerüstet, gefroren haben wir dennoch.
Während drei meiner Assistenten ein wenig umherwanderten, konnte ich die Landschaft genießen. Daniel begann mit seiner Arbeit und schoss hunderte Fotos. Eines dieser Bilder ist heute zu meinem Markenzeichen geworden.
Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel für mein Lebensmotto:
Nix ist unmöglich!
Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen.
Mit diesem Projekt möchte ich zeigen, dass mit genug helfenden Händen am Ende doch fast alles möglich ist, insbesondere für Rollstuhlfahrer wie mich.